Makro-Sicht auf 2020

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Es war wirklich eine bizarre Erfahrung für uns alle. Ich schätze uns sehr glücklich, dass wir gesundheitlich und wirtschaftlich (keine Kurzarbeit, kein Jobverlust) durch 2020 gekommen sind. Ich hoffe dass sich die Pandemie 2021 abschwächt und wir wieder langsam zur Normalität zurückkehren können. Vor drei Monaten war ich noch überzeugt, dass wir schnell durchkämpfen werden und um Ostern herum das soziale Leben wieder hochgefahren werden kann. Offenbar haben es unsere Politiker nicht geschafft ihren Job zu erledigen und für Deutschland ausreichend Impfstoff zu besorgen – wir werden wohl nicht vor Ende des Jahres genug Immunität aufgebaut haben. Das ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht schlecht, sondern wir ermöglichen es durch diese Dummheit dem Virus auf den Evolutionsdruck „Impfen“ zu reagieren und schenken dem Virus wertvolle Zeit sich auf eine geimpfte Bevölkerung einzustellen… Naja, unser Job als Investoren ist nicht zu lamentieren was hätte passieren sollen, sondern sich zu positionieren für das, was kommen wird.

Die wirtschaftlichen Folgen waren durch die Rettungsprogramme kaum zu spüren, ich befürchte, dass wir (im Frühjahr?) 2021 einen heftigen deflationären Schock spüren werden: Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, Zerstörung von Kapital. Dieser deflationäre Schock wird sich auf fast alle Assetklassen negativ auswirken. Ich werde dennoch komplett investiert bleiben, denn ich bin der Überzeugung, dass die Zentralbanken extrem schnell mit extremen Maßnahmen auf diesen Schock reagieren werden. Der negative Effekt wäre also sehr kurz und schwer zu timen. Da ich mir genau so gut vorstellen kann, dass dieser Schock an den Finanzmärkten ausbleibt, bleibe ich also komplett investiert und werde mich von Kursverlusten von 40-60% nicht vom Weg abbringen lassen. Mal sehen wie sich die Sache entwickelt, ich glaube 2021 wird an den Märkten noch spannender als 2020.

Als Erinnerung: der März 2020 war wirklich extrem. Mein Aktienportfolio hat innerhalb weniger Wochen von über 400.000€ auf ca. 160.000€ nachgegeben. Das ist ein Verlust von gut 60%! Ich kann euch versprechen, dass sich das wirklich nicht gut angefühlt hat. Fast eine viertel Million Euro quasi über Nacht weg. Es war jedoch klar, dass dieser deflationäre Schock von den Zentralbanken genauso bekämpft werden würde wie die aus der jüngeren Vergangenheit: Drucken von neuem Geld! Der große Unterschied zu den letzten deflationären Schocks (z.B. GFC 2008, Euro-Krise 2011 etc.) war, dass dieses Mal die Politik mit lockerer Fiskal-Politik, also massiven Stimulus Paketen die Wirtschaft stützen würde. In den USA wurde sogar das berühmte Helikoptergeld etabliert. Jeder Bürger bekam 1.200 USD überwiesen. Die nächsten 2.000 USD wurden/werden gerade im Moment auf den Weg gebracht. Natürlich reicht das nicht um kurzfristig die negativen Effekte auf die Bevölkerung abzufedern. Die gesellschaftlichen Auswirkungen in den USA sind dramatisch. Aber ich möchte hier bewusst nur auf der finanziellen Ebene bleiben… Der Punkt ist: ist der Geist erst einmal aus der Flasche, wird dieses Instrument wieder und wieder verwendet werden.

Genau das ist auch der Grund warum Aktien, Rohstoffe, Bitcoin und Bonds durch die Decke gehen. Die Geldmenge wird ausgedehnt und über die lockere Fiskalpolitik findet diese Geldmenge nun langsam den Weg in die Realwirtschaft. Wir sind noch weit von wirklicher Inflation entfernt, dazu war / ist der Schaden durch die Pandemie zu groß und die deflationäre Wirkung zu stark. Aber die Mechanismen haben sich in Bewegung gesetzt und wir werden einen langsamen und graduellen Shift sehen. Aus meiner Sicht wird das zu nachhaltig negativen realen Renditen führen ( reale Rendite = risikoloser Zentralbank Zins – Inflationsrate). Da die Zentralbanken die Zinsen auf absehbare Zeit extrem niedrig halten, brauchen wir also keine hohe Inflationsrate um massive negative reale Renditen zu bekommen. Bzw. wir haben diese schon.

Es ist wichtig zu verstehen, dass negative reale Renditen von Politik und Zentralbanken angestrebt werden. Und zwar über einen langen Zeitraum. Das bedeutet, die Vermögen von Sparern (also Menschen die nur in festverzinsliche Produkte, wie Sparbuch, Lebensversicherung etc.) werden gezielt, bewusst und massiv entwertet. Warum machen Politiker das? Nun, sie haben gar keine andere Wahl: die gesamte Weltwirtschaft ist so stark verschuldet, dass weitere Schulden nicht in zusätzlichem Wachstum münden. Die Zinslast und Schulden drücken sogar das Wachstum. Wenn die Zinsen auch nur minimal steigen, wird das katastrophale Folgen haben, da so die Belastung der Wirtschaft.

Powell's Fantasy: The Economy Should Grow Faster Than Debt | Seeking Alpha

Die obige Grafik ist aus folgendem Seekingalpha Artikel entnommen: https://seekingalpha.com/article/4308227-powells-fantasy-economy-should-grow-faster-debt

Es wird klar, dass die Verschuldung im Verhältnis zu GDP reduziert werden muss damit wir wieder produktivitäts getriebenes Wachstum bekommen können. Es gibt drei Möglichkeiten um das zu erreichen 1) die Wirtschaft wächst schneller als die Schulden (das ist leider nicht mehr möglich; s.o.) 2) wir machen einen Schuldenschnitt so wie in Griechenland 2011 3) wir lassen die Schulden durch nachhaltig negative Rendite „verschwinden“. Option 1+2 sind faktisch unmöglich. So bleibt nur Option 3 der schleichenden Entwertung über einen langen Zeitraum. Das entwertet die Schulden – aber leider auch die Vermögen der Sparer.

Just say no to negative real yields

Wie man oben sieht, haben wir negative Rendite seit gut 2021. Tendenz fallend! Das Perfide ist, die meisten Menschen werden das gar nicht wahrnehmen, denn wie oben schon geschrieben, brauchen wir gar keine „galoppierende“ Inflation für massive Geldentwertung. Die niedrigen/negativen Basis Zinsen der Zentralbanken machen es möglich!

Meine Investment-These weiterhin massiv in Rohstoffe/Edelmetall Aktien zu investieren ist stärker als je zuvor. Auch die relative Bewertung der Rohstoffe zu den standard Indizes ist auf einem absurd niedrigen Niveau. Früher oder später wird sich das Verhältnis angeleichen. Ich kann warten…

Wie seht ihr die Marko-Lage? Ich freue mich auf eure Einschätzung!
Gruß

Finanzr

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